Flagge Marokko
PortraitSouliman

Souliman

Marokko

 

Mein Name ist Souliman, aber alle nennen mich Soli – so hat mich meine Grundschullehrerin genannt, und der Name ist geblieben. Ich wurde in Marokko geboren und kam Ende der 1970er Jahre im Alter von drei Jahren mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder nach Deutschland. Mein Vater lebte und arbeitete bereits in Maintal-Bischofsheim.

 

Warum kamen Deine Eltern nach Deutschland?

Die wirtschaftliche Lage in Marokko war damals schwierig. Mein Opa arbeitete schon in Deutschland, hatte seine Familie aber nie nachgeholt. Mein Vater wollte uns eine bessere Zukunft ermöglichen – also ging auch er nach Deutschland.

 

Wie bist Du aufgewachsen? 

Ich bin der Älteste von 7 Geschwistern. Wir sprachen zu Hause nur Marokkanisch, und ich konnte kein Deutsch, als ich in den Kindergarten kam. An die Anfangszeit kann ich mich nicht erinnern, offenbar verlief sie aber recht unproblematisch. In der Kita lernte ich dann schnell Deutsch und fand Freunde aus vielen verschiedenen Ländern. 

Wir waren eine der ersten marokkanischen Familien in Bischofsheim. Mein Vater hatte zwei Jobs um mit uns über die Runden zu kommen. Er hat sehr viel und hart gearbeitet und meine Mutter kümmerte sich um die Familie. Sie sprach damals noch kein Deutsch. Daher war ich bei den Hausaufgaben oft auf mich allein gestellt. Zum Glück fand ich meist Hilfe bei Nachbarn und Eltern von Freunden. 

Im Vergleich zu heute, aber auch zu anderen Kindern in meiner Kindheit und Jugend, hatten wir vieles nicht. Zum Beispiel konnte ich auf Spielekonsolen nur bei anderen Kindern spielen, Ausflüge waren nur möglich, wenn sie kein oder sehr wenig Geld kosteten. Es war für mich selbstverständlich, mit 14 einen Schülerjob anzunehmen und mein eigenes Geld zu verdienen. Seither habe ich meinen Vater nicht mehr um Geld gebeten und bin immer auf eigenen Füßen gestanden. 

 

Welche Sprachen sprichst Du heute mit wem? 

Mit meinen Eltern spreche ich nach wie vor Marokkanisch, obwohl sie beide ganz passabel Deutsch sprechen. Wir Geschwister sprachen mit der Zeit immer mehr Deutsch miteinander und heute nutzen wir beide Sprachen, wie es gerade passt. 

Meine eigenen Kinder tun sich eher schwer mit Marokkanisch. Sie verstehen es, aber bis auf die Älteste sprechen sie es kaum bzw. gar nicht. Ich denke, das wird noch kommen. 

 

Musstest Du als Kind für Deine Eltern und andere übersetzen?

Ich denke, das mussten wir fast alle. Auch ich musste bei Arztgesprächen, bei Behörden und in der Schule übersetzen – sowohl für andere Kinder als auch bei meinen eigenen Elterngesprächen. 

 

Was hat Dich in Deiner Kindheit und Jugend geprägt?

Ich habe mich schon im Kindergarten mit anderen Kindern angefreundet. Darunter war ein Freund, dessen Familie mich - neben meiner eigenen - sehr geprägt hat. Er war Einzelkind und sie haben mich zu vielen Ausflügen und Aktionen mitgenommen. Sie haben mir zum Beispiel auch Schwimmen beigebracht. 

In meiner Jugend verbrachte ich fast meine gesamte Freizeit im Kinderclub und Boni´s Treff im Brüder-Schönfeld-Haus. Dort habe ich alle Freizeiten mitgemacht, Freundschaften aufgebaut und an Aktionen teilgenommen. Die Sozialarbeiter waren wichtige Bezugspersonen und hatten einen großen und sehr positiven Einfluss auf mich. 

 

Und heute?

Nach meinem Schulabschluss machte ich eine Ausbildung zum Automechaniker. Ich lebte und arbeitete fünf Jahre in Spanien, heute bin ich zurück in Maintal – mit meiner Frau und unseren drei Kindern. Ich führe eine eigene Firma mit mehreren Angestellten. 

Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit – zusätzlich zur marokkanischen, die ich behalten konnte.

 

Was bedeutet Marokko für Dich?

Seit meiner Kindheit verbringen wir fast jedes Jahr unseren Urlaub in Marokko. Früher interessierten mich vor allem Strand und Familie – heute auch Geschichte, Kultur und Gesellschaft. Ich fühle mich dort sehr wohl und es ist ein Stück Heimat, auch wenn ich schon immer als „der Deutsche“ galt. Genauso gelte ich hier als Marokkaner, auch wenn ich mich hier zu Hause fühle und hierhergehöre. 

 

Hast Du auch negative Erfahrungen gemacht?

Dumme Sprüche und unbedachte Bemerkungen gibt es immer und man fühlt sich dadurch ausgegrenzt. Schon als Kind habe ich manchmal gespürt, dass Eltern nicht wollten, dass ihre Kinder mit mir befreundet sind. Auch bei Bewerbungen hatte ich öfter das Gefühl aufgrund meines Namens oder meiner Herkunft nicht berücksichtigt worden zu sein. 

Im Allgemeinen überwiegen aber die positiven Erfahrungen und Erlebnisse, auch wenn in meinen Augen Rassismus in Deutschland ziemlich zugenommen hat. 

Deshalb ist mein Leitspruch: „Bringe anderen Menschen Respekt entgegen und Du wirst selbst respektiert.“ Dieses Motto hat mich bisher gut durchs Leben gebracht und ich gebe das so auch an meine Kinder weiter.