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Edita

Bosnien

 

Ich heiße Edita und meine Geburtsstadt ist Bihac in Bosnien. Im Alter von 3 Monaten kam ich mit meiner Mutter und meinem älteren Bruder zu meinem Vater nach Deutschland. Er lebte damals schon ein paar Jahre in der Nähe von Karlsruhe. Meine beiden jüngeren Schwestern wurden in Deutschland geboren. 

 

Warum kamen Deine Eltern nach Deutschland?

Meine Eltern verließen Bosnien aus wirtschaftlichen Gründen. Das Land war damals sehr arm. Der ursprüngliche Plan war, in Deutschland Geld zu verdienen um sich in Bosnien ein eigenes Haus zu bauen, welches sie heute auch tatsächlich besitzen.

 

Wie war Deine Kindheit?

Ich bin in einem Dorf nahe Karlsruhe aufgewachsen – und meine Kindheit war wirklich schön. Anfangs waren wir die einzige ausländische Familie im Ort. Mein Vater, ein Handwerker, half vielen beim Hausbau, wodurch er gut vernetzt war. Auch wir Kinder wurden herzlich aufgenommen.

Da meine Mutter mir bei den Hausaufgaben nicht helfen konnte, organisierten die Eltern meiner Klassenkameradinnen, dass ich jeden Tag zu einer anderen Familie zum Lernen und Spielen gehen durfte. So entstanden enge Freundschaften und ich wurde oft zu Ausflügen und Unternehmungen mitgenommen.

 

Und wie war es zu Hause?

Unsere Eltern haben sich immer bemüht, uns gut zu erziehen und dass es uns an nichts fehlt, was nicht immer ganz einfach war, mit mir vier Kindern. Unser Vater hat an 6 Tagen pro Woche und immer viel gearbeitet. Als wir etwas älter waren hat unsere Mutter gelegentlich an Wochenenden in der Küche und als Reinigungskraft Geld dazuverdient. Außerdem unterstützten sie auch noch unsere Großeltern in Bosnien so gut es ging. Aber wir durften alle in Vereine, zu Ausflügen und Klassenfahrten und wenn wir wollten auch mit dem städtischen Ferienprogramm verreisen. Sie waren sehr bemüht, uns viel zu ermöglichen, sodass wir keine Ausgrenzung spüren und wie alle anderen Kinder gut integriert sind. Wir alle hatten unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse und sie haben immer versucht, uns alles zu ermöglichen. 

Daheim lebten wir quasi in „Klein-Bosnien“. Es wurde bosnisch gesprochen, bosnisches Essen gekocht, Musik gehört und gefeiert wie in unserer Heimat. Deutschland begann bei uns buchstäblich hinter bzw. vor der Haustür. 

 

Wie war das mit der Sprache?

Mein Vater lernte Deutsch nach dem Motto „Learning by Doing“ und sprach es recht gut. Meine Mutter hingegen spricht bis heute gebrochen Deutsch. Sie hat nie einen Sprachkurs besucht, sondern sich ausschließlich im Alltag, zum Beispiel in der Kita, verständigt – und das erstaunlich effektiv. Sie kennt viele Menschen im Ort persönlich. Später hat sie einen Kurs zur Alphabetisierung begonnen, musste ihn aber abbrechen, da sie wieder schwanger wurde. 

Meine Mutter war das 10. Kind in ihrer Familie und hatte keine Möglichkeit, länger als zwei Jahre zur Schule zu gehen. Sie musste schon früh in der Landwirtschaft meiner Großeltern mitarbeiten. Und obwohl sie bis heute weder lesen noch schreiben kann, hat sie unsere Finanzen immer sehr gut organisiert.

Zu Hause sprachen wir ausschließlich Bosnisch. Deutsch lernte ich in der Kita recht schnell und unproblematisch. 

Auch meine Kinder habe ich zunächst bosnisch erzogen, heute sprechen wir aber immer häufiger Deutsch. Mit meinen Geschwistern spreche ich weiterhin den badischen Dialekt, den wir im Dorf gelernt haben. 

 

Welche Rolle spielte die Schule bei Euch?

Auch wenn meine Mutter nie helfen und sich nur mit Mühe verständigen konnte war ihr unser schulischer Weg immer wichtig. Ich erinnere mich, dass meine Mutter sogar zu Elternabenden gegangen ist, obwohl sie eigentlich nichts verstanden haben kann. 

Heute ist sie unglaublich stolz auf ihre Kinder, die alle eine Ausbildung gemacht haben. 

 

Wo bist Du zu Hause?

Definitiv in Deutschland. Hier habe ich meine Familie, meinen Job, meine Freunde und hier kenne ich mich aus. Ich habe seit 1998 die deutsche Staatsbürgerschaft und fühle mich als Deutsche. Gleichzeitig fühle ich mich aber auch als Bosnierin, weil das ebenfalls ein Teil von mir ist.

Mein Mann behielt die bosnische Staatsbürgerschaft. Er kam als junger Mann nach Deutschland und da wir auch in Bosnien ein Haus haben, entschieden wir, dass einer von uns die bosnische Staatsbürgerschaft behalten sollte. So haben wir das aufgeteilt. 

 

Welche Beziehung hast Du zu Bosnien?

Bosnien ist ein wunderschönes Land und ich bin sehr gerne dort. Es zieht mich immer wieder dorthin, wenn ich länger nicht dort war. Auch als Kind habe ich es geliebt, nach Bosnien zu fahren und die Familie zu besuchen. 

Dauerhaft leben möchte ich dort jedoch nicht, da ich mit dem bosnischen System nicht so gut zurechtkomme.

In Deutschland fällt mir alles leichter, wie z.B. die Abläufe bei Behördengängen. In solchen Situationen fühle ich mich in Deutschland sicherer.

Auch wenn ich in Deutschland lebe und hier meine Heimat ist, ist es mir sehr wichtig, dass meine Kinder wissen, woher ich komme und dass Bosnien ein Teil von mir ist. Ich freue mich sehr, dass sie neben der deutschen auch die bosnische Kultur und ihre Traditionen kennen, denn gelungene Integration bedeutet für mich, Elemente aus beiden Ländern zu vereinen.

 

Kinderbild Edita 1
Kinderportrait Edita
Kinderbild mit Laterne