Fagge China
PortraitAllan

Allan

China

 

Mein Name ist Allan und ich bin 1982 im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. Meine Eltern kommen aus China und lebten vor ihrer Einreise nach Deutschland in Hongkong. 

 

Wie kamen Deine Eltern nach Deutschland?

Mein Vater ist Koch und träumte schon als junger Mann davon, im Ausland ein Restaurant zu eröffnen. Ende der 1970er Jahre kam er nach Deutschland und arbeitete zunächst als Angestellter in verschiedenen Restaurants. 

Meine Mutter folgte ihm nach der Heirat Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland. 

 

Wie war das bei Euch mit der Sprache?

Zuhause sprachen wir ausschließlich Chinesisch. Deutsch lernte ich vor allem im Kindergarten – hauptsächlich durch meinen Freund. 

Meine Mutter spricht recht gut Deutsch. Sie hat mehrere Kurse besucht und kommt im Alltag meist gut allein zurecht. Das Deutsch meines Vaters bezeichne ich manchmal scherzhaft als „Speisekarten-Deutsch“. Er eignete es sich bei der Arbeit im Restaurant im Kontakt mit Kund*innen und Kolleg*innen an und beherrscht vor allem das, was in einem Restaurant gebraucht wird. Wenn es komplizierter wurde, konnte er sich in der Regel mit Englisch behelfen. Für Sprachkurse hatte er schlicht keine Zeit. Er benötigt bis heute Unterstützung bei Arztbesuchen und Behördengängen. 

 

Wie hast Du Deine Kindheit erlebt?

Meine Kindheit und vor allem meine Jugend spielte sich hauptsächlich zwischen Schule, Hausaufgaben und Restaurant ab. Als ich etwa 9 Jahre alt war, eröffnete mein Vater tatsächlich ein eigenes Restaurant. Ab diesem Zeitpunkt hielt sich unsere ganze Familie mehr oder weniger ausschließlich nur noch im Restaurant auf. Später mussten auch wir Kinder tatkräftig mithelfen. 

Etwa zu dieser Zeit habe ich auch angefangen, meinen Vater bei Behördengängen und mit amtlichen Schreiben zu unterstützen und mich in diese Vorgänge einzudenken. Hilfe bekam er auch von Stammgästen und von den Eltern meines Freundes. 

Für eigene Hobbies blieb mir kaum Zeit, und auch Urlaub machten wir so gut wie nie. 

 

Wie ging es Dir in der Schule?

Schule und schulische Leistungen waren meinen Eltern immer sehr wichtig. In der Regel hatte ich gute Noten, nur mit Deutsch tat ich mich lange schwer. Das besserte sich erst, als ich Latein als Fremdsprache wählte. Am Ende der Grundschulzeit bekam ich nur eine eingeschränkte Gymnasialempfehlung. Mein Vater setzte damals durch, dass ich trotzdem im Gymnasium aufgenommen wurde und mein Abitur, Studium und Promotion gaben ihm im Nachhinein recht. 

Wie hast Du das Aufwachsen mit zwei Kulturen erlebt?

Das war in der Tat nicht immer einfach. Meine Eltern lebten sehr in ihrem chinesischen Denksystem, auch wenn sie sich immer bemühten, sich hier zurecht zu finden. So nehmen sie zum Beispiel bis heute alles als gesetzt hin und legen selten Widerspruch ein. Ich hingegen bin der Kämpfer in der Familie und setze mich für unsere Rechte ein. 

Für meine Eltern war ich immer so eine Art Vermittler zwischen den Kulturen. Ich musste ihnen oft erklären, wie bestimmte Dinge in Deutschland funktionieren und manches auch gegen ihren Willen durchsetzen. 

 

Wo hast Du dieses Kämpfen gelernt, wenn nicht von Deinen Eltern?

Ich war mein Leben lang von Rassismus betroffen. Schon in der Grundschule wurde ich gehänselt, beleidigt und geschlagen. Das zog sich durch meine gesamte Schulzeit und begleitet mich bis heute im Berufsleben. 

Da sich niemand für mich eingesetzt hat - auch meine Lehrer*innen nicht - entwickelte ich eigene Strategien um mich dagegen zu wehren und mich durchzusetzen. Mein Weg war der Intellekt und den habe ich oft als Gegenwehr eingesetzt. Ich war häufig verzweifelt und fühlte mich sehr allein. Erst im Studium wurde es besser. 

Als Jugendlicher spielte ich Schach im Verein - ein Spiel, das strategisches Denken und Vorausplanung erfordert und bei dem jede*r für sich selbst kämpft. Vielleicht war das mein „Lehrmeister“. 

 

Erlebst Du auch heute noch Rassismus? 

Leider ja. Zwar ruft mir nur noch selten jemand rassistische Sprüche hinterher oder singt beleidigende Lieder, aber es gibt auch den sogenannten „positiven Rassismus“. Als Asiate wird von mir häufig erwartet, fleißiger und intelligenter als meine Kolleg*innen zu sein und als promovierter Mathematiker vor allem gut mit Zahlen umgehen zu können. Führungspositionen werden mir jedoch oft nicht zugetraut. 

Im privaten Alltag erlebe ich eher Interesse an der chinesischen Kultur und meinem Hintergrundwissen dazu. 

 

Wo bist Du zu Hause?

Bei meiner Familie. An meinen Kindern kann ich ein unbeschwertes Aufwachsen erleben und ihnen ermöglichen, was ich selbst als Kind und Jugendlicher nicht hatte. 

 

Hast Du die deutsche Staatsbürgerschaft?

Ja, ich erhielt bei der Geburt beide Staatsbürgerschaften und musste mich als Jugendlicher für eine von beiden entscheiden. Meine Eltern überließen mir damals die Wahl und waren damit einverstanden, als ich mich für die deutsche entschied. Für mich war das keine Frage. Wäre für meine Eltern eine dauerhafte Rückkehr nach China damals eine realistische Option gewesen, wäre das vielleicht anders gewesen. 

 

Was bedeutet China für Dich?

Ich interessiere mich sehr für die chinesische Kultur und Geschichte, vor allem für die ältere Geschichte. Dennoch empfinde ich sie nicht als meine. Die wenigen Male, die ich in China und bei der Familie zu Besuch war, haben mir deutlich gezeigt, dass ich hier in Deutschland zu Hause bin. Dort war mir vieles fremd und ich kannte mich in vielen Bereichen nicht aus. Ich fühle mich auch nicht als zwischen den Kulturen stehend, sondern eindeutig als Deutscher. 

 

Und Deutschland?

Hier möchte ich gerne alt werden.