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Portrait-Ewa

Ewelina

Polen

 

Mein Name ist Ewelina und ich kam im Alter von knapp 2 Jahren gemeinsam mit meinen Eltern und meinem Bruder aus Polen. 

 

Wie kam Deine Familie nach Deutschland?

Mein Großvater lebte bereits in Deutschland. Er hatte aufgrund der Unterzeichnung der „Volksliste“ durch seinen Vater die Möglichkeit, deutsche Papiere zu bekommen. Nach seiner Scheidung zog er Anfang der 1980er Jahre nach Frankfurt, meine Großmutter blieb mit den Kindern in Polen. 

Als meine Mutter Mitte der 1980er Jahre mit meinem Bruder zu Besuch kommen durfte, entstand bei ihr der Wunsch, einen Ausreiseantrag nach Deutschland zu stellen. Ihr Antrag und der für uns Kinder wurde genehmigt, der Antrag meines Vaters wurde zunächst abgelehnt. Ein Freund, der in der zuständigen Stelle arbeitet machte die Ausreise aber auch für ihn möglich. 

So packten meine Eltern ihren Fiat 500 bis unters Dach mit allem, was sie mitnehmen konnten und fuhren mit uns ins Grenzdurchgangslager Friedland. 

Bei der Einreise wurden unsere Namen teilweise eingedeutscht. Ich bekam den Namen Evelin. Das habe ich inzwischen rückgängig machen lassen, wie viele andere Pol*innen auch. 

 

Wie bist Du aufgewachsen?

Nach einigen Tagen im Grenzdurchgangslager kamen wir auf Wunsch meiner Eltern nach Frankfurt und wohnten für neun Monate in zwei Zimmern in einem Hotel. Essen mussten sie sich im Restaurant holen, denn kochen war in den Zimmern nicht erlaubt. Mit viel Einfallsreichtum und Pragmatismus meisterten meine Eltern den Alltag: gekocht wurde mit Hilfe eines Wasserkochers und die Durchgangstür wurde zum Esstisch umfunktioniert. 

Auf Vermittlung eines Bekannten bekamen wir eine Sozial-Wohnung in der Nähe und zogen später nach Sossenheim. Seit 1997 leben wir in Maintal. 

 

Wie ist das bei Euch mit der Sprache?

Mit meinen Eltern spreche ich ausschließlich Polnisch, mit meinem Bruder eher Deutsch. Meine Eltern haben mehrere Deutschkurse besucht und vor allem meine Mutter hat sich vieles selbst beigebracht. Sie spricht sehr gut Deutsch, meinem Vater fällt es etwas schwerer - aber auch er kommt sehr gut zurecht. 

Mit meinen Kindern spreche ich ausschließlich Polnisch, mein Mann spricht mit ihnen Deutsch. So lernen sie beide Sprachen von klein auf.  

Bei uns geht es ohnehin wild durcheinander. Je nachdem, wer mit am Tisch sitzt, sprechen wir Deutsch oder Polnisch oder beides. Mich fasziniert es, wie schnell meine Kinder schon gelernt haben, welche Sprache zu wem gehört. 

Ich selbst habe keine Präferenz: ob Polnisch oder Deutsch macht für mich keinen Unterschied. Im Polnischen fehlen mir manchmal Fachbegriffe, aber auch das lässt sich lernen. 

 

Musstest Du als Kind manchmal für Deine Eltern übersetzen?

Das hat größtenteils mein Bruder gemacht, aber auch ich musste gelegentlich Telefonate führen. Damals hat mich das gestresst, heute bin ich dankbar für die Erfahrung und die Selbständigkeit, die ich dadurch gewonnen habe. Ich erinnere mich noch gut an die Erleichterung, wenn die Gesprächspartner nicht erreichbar waren. 

 

Wie war die Schulzeit für Dich?

Meine Schulzeit verlief eher unproblematisch und unauffällig. Da meine Eltern beide berufstätig waren, war ich bis zur 2. Klasse nachmittags im Hort und habe dort auch meine Hausaufgaben gemacht. 

Ein Teil meiner Verwandtschaft und befreundete polnische Familien lebten in der Nähe, sodass ich dort viel Zeit verbracht habe. Später genoss ich auch die Zeiten allein zu Hause.

Für meine Eltern galt: Das Abitur war Pflicht. Was wir danach machen, war unsere Entscheidung.

 

Wo bist Du zu Hause?

Hier in Deutschland. Für niemanden von uns war eine „Rückkehr“ jemals ein Thema. Meine Eltern verließen Polen damals in dem Glauben, es vielleicht nie wiederzusehen, und wollen auch heute nicht zurück. 

Für mich wäre es ohnehin keine Rückkehr - meine Erinnerungen beginnen erst hier in Deutschland. Ich gehöre hierher. 

 

Welchen Bezug hast Du heute zu Polen?

Vor allem als ich ein Kind war, waren wir stark in die polnische Community eingebunden. Man lernte sich bei Amtsbesuchen kennen, lebte im selben Haus oder besuchte die gleiche Gemeinde, und bis heute bestehen Freundschaften aus dieser Zeit. 

Auch heute haben wir viele Kontakte zu polnischen Freunden und der Familie, die hier in Deutschland lebt und wir sehen uns oft.

Ich liebe Polen. Wir fahren häufig dorthin und ich genieße die Urlaube mit Besuchen bei Freunden und Familie. Polen ist meine Heimat –mein Zuhause ist in Deutschland.  

Ich bin mit vielen polnischen Traditionen und Bräuchen aufgewachsen, die mich geprägt haben. Zum Beispiel gibt es bei uns in Polen an Weihnachten 13 verschiedene Speisen auf dem Tisch - und davon nicht wenig. Dagegen wirkt ein klassisch deutsches Weihnachtsessen mit Kartoffelsalat und Würstchen eher karg.

Für mich besteht kein großer Unterschied zwischen deutschen und polnischen Familien. Mein Freundeskreis ist bunt gemischt und ich lebe ganz selbstverständlich in beiden Kulturen.