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FahneVietnam

Mai

Vietnam

 

Ich heiße Mai und wurde 1973 in Vietnam als sechstes von zwölf Kindern geboren. Eines Tages, ich war acht Jahre alt und kam gerade vom Kommunionunterricht, teilte mir meine Mutter mit, dass wir noch in derselben Nacht ein Boot besteigen und unsere Heimat Vietnam verlassen würden. Ich durfte mich nicht verabschieden, von niemandem, denn wir hätten in letzter Minute verraten werden können. 

Ich lebte mit meiner Familie in der Nähe der damaligen Hauptstadt Saigon im Süden Vietnams. Als Baby erlebte ich den Krieg mit, nach dem Sieg Nord-Vietnams wurde die Situation für meine Eltern unerträglich. Mein Vater war im Widerstand gegen die kommunistischen Machthaber, unser Land wurde enteignet und meine Brüder sollten zum Militär eingezogen werden.

Mai
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Als Boatpeople auf der Flucht

Vier meiner älteren Geschwister waren schon vor einigen Monaten geflohen, nun sollte ich mit meinem Bruder folgen, aber ich weigerte mich, das Boot ohne meine Mutter zu besteigen. So ging er allein. Zusammen mit meiner schwangeren Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester, alle im Kleinkindalter, folgten wir ein paar Wochen später und verließen nachts als sogenannte Boat-People das Land. Mehr als 1,6 Millionen Menschen sind seit 1978 auf diesem Weg über das Südchinesische Meer geflohen, viele starben durch Piratenangriffe, Hunger, Krankheiten oder nicht seetüchtige Boote. 

Mein Vater schaffte es in dem Gedränge um die Boote nicht mitzukommen und so mussten wir ohne ihn die tagelange Fahrt ohne ausreichend Essen und Trinken in einem völlig überfüllten Boot überstehen bis wir endlich eine Insel in Indonesien erreichten. Da meine älteren Geschwister durch die Vermittlung von Cap Anamour bereits in Deutschland aufgenommen worden waren und bei deutschen Pflegeeltern lebten, durften auch wir nach ca. neun Monaten im Flüchtlingslager nach Deutschland ausreisen. 

 

Ankommen in Deutschland

Meine älteren Geschwister waren inzwischen bei Pflegefamilien untergebracht worden und blieben auch dort, als wir ankamen. Noch heute haben wir einen guten Kontakt zu den Familien, die meine Geschwister aufgenommen haben. Sie haben uns damals sehr unterstützt und sind wie Verwandte für uns. 

Da ich noch kein Deutsch konnte, wurde ich in unserem Wohnort in der Nähe von Trier mit neun Jahren in die erste Klasse eingeschult. Das hat mich eigentlich nie gestört, ich war einfach immer die Älteste. 

In meiner Erinnerung haben wir in Deutschland von Anfang an sehr viel Hilfe erfahren. Es gab Lehrkräfte, die an mich glaubten und mir Deutsch beibrachten und die Familie des Bürgermeisters des kleinen Ortes, in dem wir die einzige vietnamesische Familie waren hat uns bei den Hausaufgaben und bei Behördengängen geholfen. Aber ich erinnere mich auch an unfreundliche Vermieter, unangenehme Wohnverhältnisse und manche bissigen Kommentare in der Schule über mein asiatisches Aussehen. 

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der erste Schnee. Wir hatten zwar schon gehört, dass es Schnee gibt, konnten uns aber nicht vorstellen, wie er schmeckt und sich anfühlt. 

 

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Von Elternabenden und der Berliner Mauer

Obwohl meine Mutter und später auch mein Vater Deutschkurse besuchten, reichten ihre Deutschkenntnisse nicht aus, um Elternabenden zu folgen, Behördengänge zu erledigen oder die Post zu schreiben. So unterstützte ich meine Eltern und die jüngeren Geschwister in all den Jahren nach Kräften. 

Ein Einschnitt war für mich der Fall der Mauer in Berlin. Plötzlich wurden wir mit unserem asiatischen Aussehen mit den vietnamesischen Vertragsarbeitern in der DDR gleichgesetzt und abgewertet. Wir wurden häufig darauf angesprochen und rassistisch beschimpft. 

 

Nach meiner Heirat zogen mein Mann und ich nach Nieder-Eschbach und 2003 dann nach Maintal. Mein Mann hatte in Hanau Arbeit gefunden. 2003 und 2006 kamen meine beiden Söhne zur Welt.  

 

Mit meinem inzwischen geschiedenen Mann war ich nach etwa 20 Jahren zum ersten Mal wieder in Vietnam und erlebte Vertrautheit und Fremdheit gleichermaßen. Vieles war mir bekannt, ich fand mich in der Sprache und in der Gesellschaft zurecht, aber da wir im Norden Vietnams waren, gab es auch vieles, was mir unbekannt war. 

 

 

 

Heimat

Meine Heimat ist Deutschland. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich meine Familie, meine Kinder und meine Freunde. Auch fast alle meiner Geschwister leben mit oder ohne Familie in Deutschland und wir haben engen Kontakt miteinander. Ich engagiere mich gerne in Maintal und gehöre zur katholischen Gemeinde St. Theresia in Maintal-Bischofsheim und zur vietnamesischen Gemeinde in Frankfurt. 

Die Entscheidung meiner Eltern damals, das Land zu verlassen und dafür sehr viel zu riskieren, finde ich heute bewundernswert und richtig zugleich. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie stark meine Eltern damals sein mussten und waren, um eine solche Entscheidung zu treffen. Sie haben ihre Kinder auf eine gefährliche und ungewisse Reise geschickt ohne zu wissen, ob sie sie jemals wiedersehen würden und sich dann selbst auf den Weg gemacht. Zum Glück ist alles gut ausgegangen und wir haben uns alle hier in Deutschland wiedergefunden. 

Für Deutschland wünsche ich mir mehr Zusammenhalt, Offenheit und mehr  Aufeinanderzugehen. 

Wir alle sind auf der Suche nach Freiheit. Dafür haben viele Menschen viel auf sich genommen und viel riskiert. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen.

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